„Nur ein Fehler und der Laden könnte in die Luft fliegen“, bemerkt einer der jungen Männer. In den Händen hält er eine Art Gamepad, ähnlich dem einer Playstation oder Xbox. Damit steuert er den so genannten Crawler, ein Analysefahrzeug oder UGV – „Unmanned Ground Vehicle“ – wie es auch bezeichnet wird.
Der Crawler in Aktion
Konzentriert blickt der junge Mann auf den Bildschirm seines Laptops, auf dem jetzt eine Türklinke zu erkennen ist. Noch kann er nicht wissen, was den Crawler hinter der Tür erwartet. Sanft bewegt er den Controller, bis sich ein Roboterarm in das Bild schiebt. Die Greifvorrichtung bewegt sich auf die Klinke zu, drückt sie herunter und zieht die Tür vorsichtig auf. Begleitet vom Surren der Elektromotoren schiebt er sich hindurch. Ein spärlich beleuchteter Raum mit scheinbar endlosen Sitzreihen erstreckt sich vor der Kamera des Roboters. Langsam rollt er in das gelbliche Zwielicht.
Etwa 10 Meter entfernt liegt eine schwarze Reisetasche auf dem Boden. Der Crawler hält geradewegs darauf zu. Noch drei Meter. Im Kamerawinkel huscht etwas vorbei. Die Kamera schnellt nach links. Ein Augenpaar starrt direkt in die Kameralinse des Roboters.
„Perfekt, das lief doch super!“ tönt es über das Headset des jungen Mannes mit dem Controller. „Jetzt müssen wir diese Daten erstmal auswerten.“ Die Tür des Raums fliegt auf und sieben gut gelaunte Studenten spazieren heraus. Der Praxistest war erfolgreich. Die größte Herausforderung für den Crawler an diesem Tag: Das Öffnen und Aufziehen der Tür ohne direkte Sicht.
Ein Projekt der Hochschule München
Bereits 2009 starteten Peter Leibl und Albert Seemüller, Professoren an der Fakultät für angewandte Naturwissenschaften der Hochschule München, das Projekt Crawler 2.0. Gemeinsam mit aktuell über 80 Master-Studenten der Fachrichtung Mechatronik erforschen sie Methoden und Technologien, um Polizeibeamten und Sondereinsatzkommandos mehr Schutz zu bieten. In Extremsituationen bieten UGVs eine gute Möglichkeit, um erst einmal aus sicherer Entfernung die Lage zu sondieren. Bislang scheiterten diese fernsteuerbaren Gefährte jedoch immer an den scheinbar einfachsten Aufgaben wie z. B. dem Öffnen einer Türe oder das Steigen von Treppen.
Professor Leibl und Professor Seemüller haben sich gemeinsam mit ihren Studenten der kreativen Lösung dieser Aufgaben angenommen. Mit einem minimalen Budget wird der Roboter alljährlich von den Studenten-Teams weiterentwickelt. Viele Bauteile werden dabei einfach selbst designt und gefertigt. So werden beispielsweise Kabelführungen, Raspberry-Pi-Gehäuse oder die integrierte Kamerahalterung mit einer CAD-Software entworfen und anschließend mit einem 3D-Drucker gedruckt.
Um einen möglichst hohen Praxisbezug zu erzielen, haben sich die Studenten-Teams ähnlich wie die Abteilungen eines Unternehmens organisiert. Neben den R&D-Teams gibt es zum Beispiel auch ein Organisationsteam, das sich um Projekt- und Budgetplanung, Einkauf, Dokumentation, Marketingthemen, HR uvm. kümmert.
Kooperation mit dem LKA
Der wichtigste Ansprechpartner für die Professoren und ihre Studenten ist das Strategische Innovationszentrum des Bayerischen Landeskriminalamts (LKA). Von dort erhalten sie die konkreten Anforderungen an den Crawler und Feedback zu der bisherigen Forschungsarbeit. Das LKA hätte auch einen tatsächlichen Bedarf für den Crawler. Die Kommissare würden ihn gerne in Terrorsituationen und bei Bedrohungen durch Scharfschützen einsetzen.
Auf eine Serienfertigung arbeitet die Hochschule München mit dem Crawler allerdings nicht hin. „Das Wesentliche ist die Anwendung und Vertiefung des im Masterstudiengang erworbenen Wissens und die Erarbeitung weiterer Erkenntnisse. Das Projekt soll auf die komplexen Aufgaben im betrieblichen Umfeld vorbereiten. Die Bearbeitung der Aufgabenstellung soll dabei möglichst unternehmensnah in Teams erfolgen. Da es sich aber letztlich um ein Projekt zur Ausbildung handelt, wird der Crawler von uns nicht bis zur Serienreife entwickelt“, erklärt Professor Leibl.
Dennoch zeigen Elektronik-Unternehmen – wie PULS oder Bosch Rexroth – großes Interesse an dem ehrgeizigen Projekt und bieten ihre Unterstützung als Sponsoren an.
PULS liefert Stromversorgung für den Crawler
Beinahe zwei Jahre lang war der Crawler über eine QS40.244 Stromversorgung (24V, 40A) von PULS zuverlässig, effizient und sicher mit dem Stromnetz verbunden. Mit dem Ende des Sommersemesters 2016 konnte nun die Entwicklung eines Batteriepacks abgeschlossen und der Crawler von dem Stromkabel befreit werden – ein weiterer Meilenstein, um den Roboter noch beweglicher zu machen.
Die nächsten Entwicklungsschritte
Als technologisch getriebenes Unternehmen fördert PULS solche mutigen Forschungsprojekte und stellt den jungen Ingenieuren gerne seine Produkte und sein Wissen kostenlos zur Verfügung.
PULS beobachtet nun gespannt die nächsten Entwicklungsschritte. Da der Crawler inzwischen über eine beachtliche elektronische Ausstattung mit zahlreichen Sensoren, Kamerasystem, WLAN-Funktion, Batteriesystem, einem Industrie-PC und über mehrere Raspberry-Pis verfügt, wird das Thema Belüftung und Kühlung der Komponenten immer wichtiger. Zudem muss der Crawler abspecken und an Gewicht verlieren.
Das sind nur zwei der vielen Verbesserungen, die wir in den kommenden Semestern noch miterleben werden.
Erfahren Sie mehr über das Crawler-Projekt
Auf der Website zu Projekt können Sie sich zu den einzelnen Projekt-Teams informieren und den Fortschritt des Crawlers mitverfolgen.
